Der VisionWalk
Dieser VisionWalk sollte einen Ausblick in die anstehenden Themen des neuen Jahres bahnen:
"Gehe über eine Schwelle, streune ein wenig herum und gehe mit den Naturwesen in Kontakt zu der Frage: "welchen Themen sollte Ich im neuen Jahr mehr Aufmerksamkeit geben, worum geht es?"
Hier die Erzählung einer Frau in mittlerem Alter, sie ist selbständig berufstätig:
"Laut Wetterbericht sollte der Tag eher bedeckt sein, es ist aber strahlend sonnig und schön. Aus dem Auto aussteigend stehe ich unvermittelt in den Federn einer toten, gerupften Taube! Ich bin etwas geschockt, das fängt ja gut an.... Ich gehe dann einen gewohnten Weg, meine Schwelle ist für mich das Tor, das diesen Waldweg vor Autos schützt. Plötzlich scheint die Sonne in einen lichten Buchenwald linker Hand, in den ich, glaube ich, noch nie einen Fuß gesetzt habe, obwohl ich diesen Weg schon oft gegangen bin. Als erstes bleibe ich stehen an einem Baum, an dem sich Efeu dicht herauf drängt. Ich merke, dass hier fast alle Bäume dicht efeubewachsen sind. Diese Bäume hier sind aber dennoch ganz gesund, trotz des Efeus (anders als die Bäume, die ich letzte Woche sah, die praktisch erwürgt wurden ..). Wenn man stark und gesund wächst, dann hält man den rankenden Efeu auch aus, ohne dass es schadet, war meine Botschaft daraus. Und dem Efeu ist auch kein Gefallen getan, wenn er sich so breit macht, dass der Baum stirbt, die zweite Botschaft.
Ich gehe weiter und stelle fest, dass der Wald hier doch sehr schnell zu Ende ist und man vor einem hohen Stacheldrahtzaun steht. Ich sehe nochmals mehrere Feder-Kreise mit Resten von gerupften Tauben (der Bussard?) und viel Totholz, außerdem rostiges Eisen, was hier herumliegt. Bisschen sehr tot hier, denke ich und drehe mich entgegengesetzt zur anderen Seite. Vor mir stöbere ich einen stattlichen Fasan auf, der sich auf seinen Füßen in ein Gebüsch voraus verkrümelt. Dort sieht der Wald heller und freundlicher aus. Ich wende mich langsam diesem Gebüsch zu und stelle fest ..... noch mehr Tod, denn ich stoße hinter dieser Einfriedung unvermittelt auf den kleinen Familienfriedhof der Guts-Familie. Vier oder fünf Grabsteine stehen hier im Rund. Ich verweile ein wenig und erwarte irgendein Gefühl..... So, als ob auch ich nochmal an eine vergangene Beerdigung oder vielleicht eine zukünftige erinnert werde. Es ist aber nur Ruhe da, keine Trauer. Einer der Grabsprüche dort hat es mir angetan - Euripides: "Wer weiß denn, ob das Leben nicht Totsein ist und der Tod nicht das Leben?" Eine interessante Überlegung....
Ich gehe weiter und wende mich zum lichten Waldrand hin. Alles unbekanntes Terrain, obwohl ich hier in diesem Gebiet schon sehr oft war. Auf dem Weg muss ich mich etwas durch die Brombeerranken schlagen, aber es geht mit entsprechend Umsicht und langsamen Tempo ganz gut. Wieder ein Zaun, wieder ein Totholzhaufen, aber das Totholz deckt hier den Zaun geschickterweise so zu, dass ein Überweg entsteht. Der ist zwar wacklig, aber ich komme herüber und stehe auf einem abgeernteten Maisfeld, sonnig und schön. Über mir viele Vögel.
Leichten Fußes gehe ich am Waldrand entlang, nochmal tauchen Zäune auf, aber immer sind an den passenden Stellen Übergänge durch umgefallene Baumstämme möglich.
So an der Grenze zwischen offenem Feld und Wald zu gehen, gefällt mir. Ich finde trotz des Winters unverhofft viele Stellen mit saftiger grüner Vogelmiere, die ich erfreut für meinen Grünen Smoothie mitnehme (Anmerkung: Obwohl man das strenggenommen während eines VisionWalks eigentlich nicht tun sollte) Es ist trotz Schwierigkeiten gut gesorgt für mich hier.
Nun stoße ich auf einen offenen Feldweg, den ich schon kenne und dem ich folge. Ich gehe in den Spuren von vielen Rehen. An den Stellen, wo der Feldweg zu matschig wird zum Gehen und ich seitlich auf das unbestellbar Feld ausweichen muss, brauche ich nur den Wildspuren zu folgen und komme immer sicheren Fußes durch den morastigen Boden. Am Ende des Weges merke ich, dass ich eigentlich noch weitergehen will, was weiß ich wohin.....
Für heute drehe ich aber trotzdem um und komme auf gewohntem Weg wieder durch das Tor zurück. Trotz des eigenartigen Beginns und des Grundgefühls von Frustration und Ärgers der letzten Zeit bin ich jetzt in einer ruhigen, zuversichtlichen Stimmung - was auch an Altem losgelassen werden muss, es wird wohl gut gesorgt sein für mich auf dem neuen, alten Weg.
Die zurück gespiegelte Geschichte
Ich höre die Geschichte einer Frau, die mitten im Alten und Bekannten einen neuen Weg findet und durch das Tote und mit dem Toten zum sonnigen Waldrand, ins Licht findet und ihren Weg neu (er-)findet.
Eine tote Taube - das Thema Tod kündigt sich plötzlich und unvorbereitet an....
Ist es Zufall, das der bekannte und doch unbekannte Wald linker Hand liegt? Links, die weibliche, die mütterliche Seite. Viel Tod und Totes findet sich hier und der Weg ist schnell zu Ende für die Frau. Die Erkenntnis über das Zusammenleben des Efeus mit dem Baum und wie dieses Zusammenleben gelingen kann, scheint nicht das Ziel des Weges zu sein, vielleicht nur ein wichtiger Impuls auf dem weiteren Weg. Der zweite Versuch führt wieder nicht ins Lichte und Lebendige, sondern auf einen privaten Friedhof. Interessant, dass der Fasan sie hierher führt, wird er doch als Krafttier vor allem mit Fruchtbarkeit, Schöpferkraft und mit „Gut versorgt sein“ in Verbindung gebracht - also mit der eigenen Lebendigkeit und Kreativität, nicht mit dem Tod. Statt tiefer Trauer findet die Frau hier auf dem Friedhof dann nur Ruhe vor und die Frage, was Tod und Leben eigentlich ist? Doch auch dort scheint nicht ihr Platz zu sein, sie geht weiter zum Waldrand. Schwierigkeiten dabei werden mit Umsicht und Geduld gut gemeistert.
Auch hier begegnet die Frau wieder dem Tod, doch diesmal in helfender Form - das Totholz ermöglicht ihr mehrfach erst einen gangbaren Weg über Zäune hinweg zum lichten Feld.
Dort geht sie leichten Fußes und es ist gut für sie gesorgt - der Grenzgang und die Grenze zwischen Wald und freiem Feld gefällt ihr gut. Die Vögel heben ihren Blick. Doch auch dort bleibt sie nicht stehen, sie geht weiter auf das freie Feld zu. Hilfe bei morastigen Stellen sind ihr die Spuren der Rehe, die ihr zeigen, wohin sie ihre Füße setzen kann. Am liebsten würde sie noch weiter gehen… wohin wohl?
Spätere Reflektionen
Ein Feedback der Frau im Frühjahr zeigt, dass das Thema Tod durch einen überraschenden Todesfall im Freundeskreis tatsächlich schon sehr schnell an sie herangetragen wurde. Über einen Umweg kam sie auch noch einmal an die Verarbeitung vieler alter Familienthemen, bei denn es vor allem um die Frage ging, wer in ihrer Kindheit von wem Energie bekommen hat und wo sie vielleicht eigentlich hätte fließen müssen. Hier sieht die Frau das Bild des Efeus vor sich und das Abwenden vom Weg, der nur in das Tote führte. Es gibt wohl auch sonst im Berufsleben Altes, was verabschiedet werden will (was zum Zeitpunkt des Naturganges im Außen noch gar nicht klar war) und Neues, was sich Stück für Stück zeigt. Wobei, wie die Frau selber bemerkt, das Neue eigentlich gar nicht so neu ist, sondern schon ganz alt. Es gibt erste Hinweise, dass das Neue Interesse auch bei anderen wecken wird und dass sie auch im beruflichen Ausüben des Neuen vielleicht wieder bzw. weiter gut versorgt sein wird.
Als die Frau sich des Naturgangs vom Jahresanfang noch einmal im Detail gewahr wird, fallen ihr vor allem die versöhnlichen und verbindenden Elemente darin auf - das Neue im alten, Brücken werden gebaut auch durch das Tote und Alte, selbst der Weg am Ende war irgendwie neu aber doch bekannt. Das gibt ihr ein Gefühl von Ruhe und Gelassenheit für die nächsten Schritte - die Veränderungen, die nun tatsächlich anstehen, dürfen kreativ wachsen und das Bekannte und Vertraue muss offenbar dafür nicht ganz weggeworfen werden.